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Moderne Bushaltestellen, medizinisches Gerät und Ausstattung für die Schulen

27. Nov 2024

Moderne Bushaltestellen, medizinisches Gerät und Ausstattung für die Schulen

1000 Tage Krieg in der Ukraine: Lutsks Bürgermeister Ihor Polishchuk berichtet im Interview, wie der Kreis Lippe seine ukrainische Partnerschaft unterstützt und wie die Einwohner den Alltag meistern.

„Seit mehr als 1000 Tagen herrscht Krieg in der Ukraine. Die Angriffe der Russen sind allgegenwärtig und beeinflussen das Leben der Menschen – nicht nur an der Front, sondern auch weit davon entfernt. So wie etwa in Lutsk, der Partnerstadt des Kreises Lippe“, sagt Landrat Dr. Axel Lehmann. Seit 2015 besteht diese Freundschaft, die seither intensiv gepflegt wird. Die große Herausforderung vor Ort: trotz des Krieges das alltägliche Leben am Laufen zu halten, das soziale Miteinander zu pflegen und Stadtentwicklung zu betreiben. „Dabei hilft auch der Kreis Lippe – und das tun wir gerne. Der Kreis Lippe steht gerade in diesen schwierigen Zeiten zu seinen Freunden in der Ukraine“, betont der Landrat. Wie genau der Kreis Lippe unterstützt, wie es den Menschen geht und wie sich der Krieg in Lutsk bemerkbar macht, erklärt Bürgermeister Ihor Polishchuk.

Wie ist die aktuelle Situation vor Ort?

Ihor Polishchuk: Die Lage in der Stadt ist relativ ruhig. Die Stadtgemeinde Lutsk ist weit entfernt von der Zone aktiver Kampfhandlungen. Wir hören jedoch auch ständig Alarme, die vor der Gefahr eines Raketen- oder Drohnenbeschusses warnen. Leider haben sich die Bürger nach fast drei Jahren Krieg an diese Lebensrealitäten gewöhnt und suchen nicht immer Schutzräume auf, wenn Raketenalarm ausgelöst wird.

Was wurde bei Angriffen Russlands konkret in Lutsk zerstört?

Polishchuk: Unsere Stadt hat, wie mittlerweile fast jede andere Stadt in der Ukraine, auch unter der Gewalt der russischen Armee gelitten. Mehrmals kam es zu Raketenangriffen, bei denen Infrastruktureinrichtungen, Unternehmen und Wohngebäude beschädigt wurden und Menschen starben. Der letzte derartige Angriff ereignete sich Ende August dieses Jahres. Damals wurden Mehrfamilienhäuser, private Wohngebäude und Wirtschaftsgebäude beschädigt. Diese Gebäude werden derzeit restauriert und der Stadtrat zahlt den Menschen eine Entschädigung für ihr beschädigtes Eigentum.

Wie meistern Sie und die Einwohner von Lutsk trotz dieser schweren Lage das alltägliche Leben?

Polishchuk: Bildungseinrichtungen wie auch der gesamte kommunale Bereich funktionieren bei uns jedoch unter dem Kriegsrecht so normal wie möglich. Der Krieg trifft jedoch fast jede Familie in Lutsk, in der ein Sohn, ein Vater oder ein Bruder kämpft. Fast jeden Tag werden in Lutsk Beerdigungen von gefallenen Militärangehörige durchgeführt, die ihr Leben für die Verteidigung der Freiheit unseres Staates gegeben haben. Fast jeden Tag verliert die Stadt ihre Söhne. Und das ist die bittere Wahrheit unserer Gegenwart.

Was hat sich seit Kriegsbeginn am meisten in der Stadt verändert?

Polishchuk: Wie jede Stadt in der Ukraine haben wir ein großes Personalproblem: Viele Männer und Frauen verteidigen die Ukraine in den Reihen der Streitkräfte. Es mangelt an Fahrern im öffentlichen Verkehr, an Arbeitskräften im Baugewerbe und in produzierenden Unternehmen.

Aufgrund des Krieges mussten unsere Pläne zur Verbesserung der städtischen Infrastruktur leider entsprechend angepasst werden. Wir verwenden nun einen erheblichen Teil unserer Haushaltsmittel zur Unterstützung der Streitkräfte. In diesem Jahr wurden 500 Millionen Hrywnja  (ca. 11.445.000 Euro) aus dem Stadthaushalt bereitgestellt. Den Verteidigern wurden dadurch 30 neue Pickup-Trucks, Quadcopter, elektronische Kriegsführungssysteme, Kommunikationssysteme, ferngesteuerte Komplexe usw. übergeben. Gleichzeitig versuchen wir, nach wie vor eine bestmögliche Daseinsfürsorge zu gewährleisten, wir reparieren Straßen, sanieren Bildungseinrichtungen, kümmern uns um die medizinische Versorgung und den sozialen Schutz der Bürger.

Wie macht sich das in Lutsk bemerkbar?

Polishchuk: Zahlreiche Einwohner unserer Stadt kommen nun kriegsversehrt von der Front zurück nach Lutsk. Daher besteht die Priorität unserer Arbeit vor Ort darin, angemessene Bedingungen für die Rehabilitation dieser Menschen zu schaffen. Zu diesem Zweck haben wir Veteranenzentrum geschaffen, das in Kürze in unserer Stadt in Betrieb gehen wird, wo Militärangehörige die  notwendige soziale und rechtliche Unterstützung erhalten, sie mit Psychologen sprechen und Sport treiben können. Wir möchten das größtmögliche Leistungsspektrum gebündelt an einem Ort bieten.

Wie viele Binnenflüchtlinge gibt es in Lutsk?

Polishchuk: Mit Beginn der umfassenden Invasion kamen viele Binnenvertriebene nach Lutsk. Einige von ihnen gingen nach einer gewissen Zeit ins Ausland oder in andere Städte. Derzeit gibt es in unserer Gemeinde rund 16.000 Binnenvertriebene.

Wie sieht deren Integration aus?

Polishchuk: Im Jahr 2023 wurde in Lutsk ein Wohnheim für Binnenvertriebene eröffnet, der Umbau der Räumlichkeit erfolgte mit Mitteln der Europäischen Union. Der Stadtrat unternimmt alle Anstrengungen, um Binnenvertriebenen bei  der Integration in unsere Gemeinschaft zu helfen. Es wurden mehrere Programme zu ihrer Integration in unsere Gemeinschaft geschaffen, in Form von  kostenlosen warmen Mahlzeiten, Nahrungsmittel, Kleidung, Haushaltsgegenständen, usw. 

Wie hat sich die Partnerschaft Lippe - Lutsk verändert?

Polishchuk: Unsere Zusammenarbeit besteht seit 2015 und gemeinsam haben wir schon viel erreicht! Mit dem Bau von hochmodernen Bushaltestellen haben wir ukrainische Standards gesetzt und wurden hierfür bereits ausgezeichnet. Wir haben eine Sickerwasserfilteranlage auf der Deponie Bryshe errichtet, die das Grundwasser schützt, schulische Ausstattungen und medizinische Ausrüstungen wie Beatmungsgeräte angeschafft. Im Bereich Bildung werden wir nun in einer städtischen schulischen Einrichtung MINT-Labore einrichten. Und das alles während der Corona-Pandemie und seit Kriegsbeginn, was diese Partnerschaft wirklich auszeichnet. Im Namen der Stadt Lutsk möchte ich deshalb der der Kreisverwaltung und den Einwohnern des Kreises Lippe für ihre Hilfe und Unterstützung in einer für uns schwierigen Zeit danken. Ich schätze diese Partnerschaft und Unterstützung sehr und hoffe auf die weitere Zusammenarbeit und die Umsetzung gemeinsamer Projekte.

Wie sehen die Perspektiven nach Kriegsende für Lutsk Ihrer Einschätzung nach aus?

Polishchuk: Alle Menschen in der Ukraine sehnen sich nach einem siegreichen Frieden, der so schnell wie möglich bei uns zu Hause einkehrt. Nach Kriegsende sehen die Perspektiven meiner Meinung nach für Lutsk ausgesprochen positiv aus. Zunächst werden wir das umsetzen, was zuvor geplant war und wegen des Krieges auf Eis gelegt werden musste: die Sanierung von Straßen, Schulen und die Verbesserung der Infrastruktur unserer Stadt. Dank internationaler Spenden und Fördergelder konnten wir schon einiges umsetzen: den Kauf von 30 neuen Oberleitungsbussen, den Wiederaufbau des Styr-Ufers, den Wiederaufbau der Kläranlagen, die Fortsetzung des Umbaus des zentralen Wärmeversorgungssystems usw. Lutsk ist aufgrund seiner Nähe zur EU-Grenze für europäische Projekte und europäische Investoren interessant, hier zeigt sich meiner Meinung nach ein großes Potenzial und wir haben für Interessenten bereits jetzt einiges zu bieten.

 FOTO: STADT LUTSK

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